Hesekiel 11,23
Heutige Bibellese:
Hesekiel 11,1-12,28 / Hebräer 12,12-29 / Psalm 105,16-45 / Sprüche 26,28
Die Herrlichkeit des HERRN verließ den Tempel nicht schlagartig, sondern schrittweise. Zuerst erhob sie sich von dem Cherub, über dem sie sich befand (über der Bundeslade im Allerheiligsten), und bewegte sich zur Schwelle des Tempels (9,3). Dadurch wurden Vorhof und Tempel von der Wolke und dem Glanz der Herrlichkeit Gottes erfüllt (10,4). Später verließ die Herrlichkeit des HERRN die Schwelle des Tempels und stellte sich wieder über die Cherubim. Diese bewegten sie zum Eingang des östlichen Tores des Tempels (10,18-19). Erst in 11,23 verließ die Herrlichkeit des HERRN den Tempel endgültig und stellte sich auf den „Berg im Osten der Stadt“; das ist der Ölberg, der gleiche Berg, von dem aus der Herr Jesus die Erde bei seiner Himmelfahrt verließ (Lk 24,50-51).
Das nur sehr zögerlich ablaufende Verlassen des Tempels zeigt, dass der HERR (trotz allem Götzendienst, der dort stattfand) an diesem Ort hing und ihn nur ungern verließ. Die gleiche Bindung an den Tempel ist auch im Leben Jesu sichtbar. Das erste Mal wurde er kurz nach seiner Geburt in den Tempel gebracht, um ihn als Erstgeborenen dem HERRN „darzustellen“ und auszulösen (Lk 2,37; 2.Mo 13,2,13).
Das zweite Mal wird von ihm als Zwölfjährigen berichtet, dass er im Tempel war, in dem, was „seines Vaters“ war – ein Ausdruck, der zeigt, wie verbunden er sich diesem Ort fühlte (Lk 2,49). Gleich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens hat er den Tempel besucht und gereinigt (Joh 2,13-17). Danach kam er immer wieder zu den Festen dorthin, lehrte und heilte dort. Schließlich kehrte er am Ende seines Lebens wieder nach Jerusalem zurück und hielt sich dabei sehr viel im Tempel auf. Nach seinem Einzug in Jerusalem ging er in den Tempel und sah dort alles genau an (Mk 11,11). Am nächsten Tag warf er noch einmal alle Verkäufer und Wechsler, die den Tempel verunehrten, aus dem Tempel heraus. Am darauffolgenden Tag führte er lange Lehrgespräche (Mk 11-12) und dann erst „verließ“ er den Tempel mehr oder weniger endgültig. Wie die Herrlichkeit des HERRN, so ging auch Jesus zum Ölberg hinaus und blickte von dort noch einmal auf den Tempel zurück (Mk 13,1-3) – voll Trauer und Schmerz über das Schicksal, das ihm bevorstand (vgl. Mt 23,37-39). Seine letzte Begegnung mit dem Tempel war seine Verurteilung vor dem Sanhedrin, die im gleichen Gebäude stattfand, aus dem er die Verkäufer und Wechsler hinausgeworfen hatte!
Nachdem die Herrlichkeit des HERRN den Tempel verlassen hatte, kehrte sie nie wieder dorthin zurück! Erst in Kap. 43 wird ihre Rückkehr beschrieben – in den Tempel des Tausendjährigen Reiches. Das bedeutet, dass die Schechina, die Herrlichkeitswolke, nie im zweiten Tempel war, der nach dem babylonischen Exil gebaut wurde und der zur Zeit Jesu existierte. Doch daraus kann man nicht schlussfolgern, dass Gott gegen diesen Tempel gewesen wäre. Als der Wiederaufbau des Tempels aufgrund politischen Widerstands ins Stocken geriet, berief der HERR seine Propheten Haggai und Sacharja, um das Volk zum Weiterbau zu ermuntern. Außerdem verhieß er, dass – wenn schon seine Herrlichkeit nicht zurückkehrte – so doch sein Geist dort sein würde (Hag 2,5). Und durch den prachtvollen Umbau durch Herodes den Großen (vgl. Mk 13,1 über den atemberaubenden Anblick des Gebäudes) sowie den Besuch Jesu Christi, des Sohnes Gottes, erlangte auch dieser Tempel größte Herrlichkeit (vgl. Hag 2,9, auch wenn diese Prophetie endgültig wohl erst im Tausendjährigen Reich mit der Rückkehr der Schechina erfüllt werden wird).