Hesekiel 4

Okt 31

Heutige Bibellese:

Hesekiel 3,4-4,17 / Hebräer 10,19-39 / Psalm 102,1-29 / Sprüche 26,21


Hesekiel musste bestimmte Zeichenhandlungen durchführen, durch die der HERR sein Volk ansprechen wollte. Die Mittel, die Hesekiel dazu benutzen sollte (Ziegelstein, Pfanne usw.) waren einfach und leicht zu beschaffen. Auch heute benutzen Evangelisten gerne einfache Mittel, um ihre Botschaft zu unterstreichen.

Auf einem Ziegelstein sollte die Stadt aufgezeichnet werden, die Belagerungstürme und der Wall sollten ein Zeichen für die kommende Belagerung Jerusalems sein, die vier Jahre später stattfand (die Ereignisse in Kap. 4 fallen noch ins fünfte Jahr der Wegführung Jojachins, was identisch ist mit dem fünften Regierungsjahr Zedekias; die Belagerung begann in dessen neunten Regierungsjahr und endete zwei Jahre später mit dem Fall Jerusalems 586 v.Chr.; 1,1; 2.Kön 25,1-4).

Die eiserne Pfanne (V.3) symbolisiert den Grund für die Belagerung Jerusalems: die Sünden trennten das Volk (und die Stadt) von dem HERRN; sie hatten eine Scheidung hervorgerufen:

[...] eure Vergehen sind es, die eine Scheidung gemacht haben zwischen euch und eurem Gott, und eure Sünden haben sein Angesicht vor euch verhüllt, dass er nicht hört. (Jes 59,2)

Auch Jeremia berichtet von dieser Scheidung, allerdings benutzt er weniger scharfe Worte und spricht nur von einer Wolke, die verhinderte, dass die Gebete zu Gott hindurchdrangen (Kla 3,44).

Für die 390 und 40 Tage (V.5-6), die Hesekiel symbolisch die Schuld Israels bzw. Judas tragen sollte, gibt es verschiedene Erklärungsversuche. Das Nordreich Israel existierte nur gut 200 Jahre und konnte daher nicht 390 Jahre lang Schuld aufgehäuft haben, die nicht auch das Südreich Juda betroffen hätte. Deshalb scheinen sich die 390 Jahre auf die Schuld ganz Israels vor der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier zu beziehen und die 40 Jahre auf die Zerstörung 70 n.Chr. Nach 70 Jahren Exil durften die Judäer aus dem Babylonischen Exil zurückkehren. Der HERR gab ihnen eine zweite Chance und ermöglichte ihnen, den Messias im eigenen Land zu begegnen. Denn der sollte ja in Bethlehem in Juda geboren werden (Mi 5,1; Mt 2,6). Außerdem sollte der Messias aus dem Stamm Juda kommen (vgl. 1.Mo 49,10; „Schilo“). Doch als dieser gekommen war, wurde er abgelehnt und ermordet. Damit lud Juda (denn aus dem Nordreich, dessen Bevölkerung von den Assyrern verschleppt worden war, gab es keine Rückkehrer) erneut Schuld auf sich – Blutschuld (Mt 27,25). Und zwar ab 30 n.Chr., als man anfing, Jesus abzulehnen und versuchte, ihn umzubringen (bzw. ihn bereits umbrachte; der Tod Jesu lässt sich nicht ganz eindeutig datieren). Das führte 40 Jahre später zur erneuten Zerstörung Israels und des Tempels. In der rabbinischen Literatur wurde festgehalten, dass genau in diesen 40 Jahren (30-70 n.Chr.) der HERR die Schuld Israels am großen Versöhnungstag nicht mehr vergab. Das schloss man aus verschiedenen Zeichen, z.B. dass sich die karmesinrote Schnur, die man dem Sündenbock an die Hörner band, nicht mehr weiß färbte wie alle Jahre zuvor (vgl. Jes 1,18). Beide Zerstörungen Jerusalems (586 v. und 70 n.Chr.) haben viele Gemeinsamkeiten, z.B. große Hungersnot (V.10.16-17), die zum Kannibalismus führte (5,10), und werden von Hesekiel öfter zusammengesehen.


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