Nehemia 2
Heutige Bibellese:
Nehemia 1,1-3,13 / Offenbarung 16,1-21 / Psalm 143,1-12 / Sprüche 30,17
Erst vier Monate, nachdem Nehemia von den traurigen Zuständen in Jerusalem gehört hatte (Kislew ist der dritte, Nisan der siebte Monat; V.1; 1,1), brachte er sein Anliegen vor den König, und zwar am 14. März 445 v.Chr. Der König sprach Nehemia an, weil dieser traurig aussah, was sonst nie der Fall war. Das persische Hofprotokoll verbot es den Dienern, in Gegenwart des Königs traurig zu sein; nichts sollte dem König die gute Stimmung verderben. Entweder verlor Nehemia für einen Augenblick die Selbstbeherrschung – oder er hatte absichtlich gewartet, bis sich ein günstiger Moment fand, seine Traurigkeit zum Ausdruck zu bringen (V.6 berichtet, dass die Königin ausnahmsweise anwesend war; in solch vertraulicher Atmosphäre hätte er vielleicht die besten Aussichten, für sein Anliegen Gehör zu finden). Jetzt war der Augenblick gekommen, vor dem sich Nehemia vermutlich die ganzen vier Monate schon gefürchtet hatte – aber der König gewährte Nehemia alles, was er erbat, denn der HERR lenkt die Herzen der Könige wie Wasserbäche (Spr 21,1).
Nehemia bat um Briefe an die Statthalter der Provinzen, durch die er ziehen musste (V.7). Er erwartete also schon für die Reise Widerstände. Außerdem bat er um Holz als Baumaterial (V.8). Mit „Burg“ ist der Tempelbezirk gemeint, der von burgähnlichen Mauern umgeben war (vgl. 1.Chr 29,1, Fußnote, wo wörtlich ebenfalls „Burg“ zur Bezeichnung des Tempels steht).
In Jerusalem angekommen, untersuchte Nehemia zuerst heimlich die Mauer, bevor er mit den Menschen über sein Vorhaben sprach (V.11-16). Wenn man von falschen Voraussetzungen ausgeht, wendet man falsche Strategien an und die Sache ist zum Scheitern verurteilt. Außerdem ist es hilfreich, die Schwierigkeiten zu kennen, um Kritik erwidern zu können. Nach Abschluss dieser Vorbereitungen sprach Nehemia zu den Menschen (V.17-18). Seine Rede enthält vier Elemente: 1. Er stellte ihnen den desolaten Zustand der Stadt vor Augen. 2. Er ermunterte zum Aufbau (und schloss sich selbst darin ein: „uns“). 3. Er verwies auf die Hilfe Gottes und 4. auf die Genehmigung des Königs. Er kannte die Schwierigkeiten, die mit dem Mauerbau verbunden sein würden, aber er konnte auf den verweisen, der größer ist als jedes Problem: sein Gott!
Auffallend ist, dass Nehemia sich in Kap. 2 als starker „Organisator“ erweist. Er sagt dem König genau, was er möchte (Holz; Empfehlungsbriefe bzw. „Durchzugsgenehmigungen“ für die Statthalter, er untersucht die örtlichen Gegebenheiten genau und redet mit der Bevölkerung, um sie zum Bauen zu ermutigen). Steht so viel Organisation nicht im Widerspruch zum Wirken des Heiligen Geistes? Jede christliche Arbeit steht in dem Spannungsfeld von Organisation und Offenheit für das Führen Gottes. Organisation ist dringend nötig, damit Arbeitsabläufe effizient ausgeführt werden können! Aber sie darf nicht aus menschlichen Überlegungen heraus gemacht werden, sondern muss ihre Quelle im Gebet und dem Reden Gottes haben. Wir können sicher davon ausgehen, dass Nehemia, der ja bereits in 1,11 um Gelingen gebetet hatte, in den seitdem vergangenen vier Monaten viel im Gebet mit dem HERRN um die Details gerungen hat und seine Planungen in Übereinstimmung mit dessen Willen machte (andernfalls hätte der HERR das Werk kaum in der Rekordzeit von 52 Tagen gelingen lassen). Organisation ist erforderlich, aber sie muss in Abhängigkeit von Gott durchgeführt werden.