Hesekiel 21,1-12.17.24

Nov 10

Heutige Bibellese:

Hesekiel 21,6-22,31 / 1.Petrus 3,8-4,6 / Psalm 109,1-31 / Sprüche 27,10


Immer wieder sagen Menschen, die Bibel sei ein schwer verständliches Buch, ein „Buch mit sieben Siegeln“ (Off 5,1). Den gleichen Vorwurf finden wir in V.5: „Redet er [Gott] nicht in Gleichnissen?“ Sicher gibt es in der Bibel Abschnitte, die nicht leicht zu verstehen sind, aber das meiste (und Wichtigste) wird sehr deutlich erklärt. Mark Twain hat diesbezüglich sinngemäß gesagt: „Nicht die Bibelstellen, die ich nicht verstehe, bereiten mir Bauchschmerzen, sondern diejenigen, die ich verstehe.“ Wenn wir alles das umsetzen würden, was wir verstehen, wäre das schon ein großer Fortschritt!

Auffallend ist, dass die Verse 1-4 und 5-10 einen parallelen Aufbau besitzen, d.h. die Verse 5-10 sind die Erklärung für das Gleichnis von V.1-4.

Die Verse 1 und 6 sind bis aufs Wort identisch. In V.2 erhält Hesekiel die Aufforderung, sein Gesicht nach Süden zu richten, in V.7 (wo er ebenfalls als Menschensohn, d.h. Mensch, angesprochen wird) erfolgt die gleiche Aufforderung, nur wird hier genauer ausgeführt, was mit Süden gemeint ist: Jerusalem. Hesekiel sollte zum Mittag (gemeint sind die Heiligtümer; V.7) reden (wörtlich: herabfließen lassen; der gleiche Ausdruck wird auch in V.7 benutzt). Und er sollte gegen das Gefilde bzw. den Wald des Südlands (den Negev, d.h. den südlichen Teil Israels) weissagen (V.2-3). Die Parallele in V.7-8 zeigt, dass damit ganz Israel gemeint ist. Dieses „pars pro toto“ genannte Stilmittel (ein Teil steht für das ganze) wird in der Poesie häufig benutzt. Es kommt auch im „Vater unser“ in der Bitte um das „tägliche Brot“ vor, in der das Brot für alles zum Leben Notwendige steht. Das Feuer (V.3) steht für das Schwert, d.h. das Gericht, Gottes (V.8). Mit jedem grünen und jedem dürren Baum, den das Feuer verzehren sollte, sind die Gerechten und Ungerechten (bzw. Gottlosen) gemeint. Gott würde in seinem Gerichtshandeln keinen Unterschied mehr zwischen denen, die gut lebten und gottesfürchtig waren und denen, die gottlos lebten, machen. Alle sollten ausgerottet werden – die Flamme würde brennen, bis alles versengt war. Dadurch sollten alle Menschen erkennen, dass der HERR selbst das Feuer angezündet bzw. das Schwert aus seiner Scheide gezogen hatte (V.4.10). Das Schwert Gottes würde, wie V.24 erklärt, das Schwert des Königs von Babel sein.

Hesekiel erhält die Aufforderung zu stöhnen und zu heulen (V.12.17). Hesekiels Gerichtsbotschaften waren unpopulär und wurden wohl vom Volk mit genauso wenig Begeisterung aufgenommen wie diejenigen Jeremias (von dem wir wissen, wie viel er dafür leiden musste, dass er nicht wie die falschen Propheten Frieden, sondern das Gericht Gottes verkündigte; er wurde z.B. in eine schlammige Zisterne geworfen). Wenn in einem solchen Fall das Unheil über die widerspenstigen Menschen hereinbricht, ist die Gefahr groß, schadenfroh zu werden. Jeremia weinte über den Fall Jerusalems und des Volkes (Jer 13,17; Kla 1,16; 2,11; 3,49). Auch Hesekiel wurde aufgefordert zu stöhnen. Wie reagieren wir, wenn wir von dem Unheil anderer Christen hören, die selbstverschuldet unter das (zeitliche) Gericht Gottes kommen? Sind wir schadenfroh, oder trauern wir um deren Fall?


Nächster Tag Vorheriger Tag