Rut 2,1-7

Mai 17

Heutige Bibellese:

Rut 1,1-2,23 / Johannes 9,1-41 / Psalm 114,1-8 / Sprüche 15,8-10


Während einer Hungersnot verlässt Noomi Bethlehem (1,1), zu Beginn der Erntezeit kehrt sie zurück. Die Gerste ist das erste Getreide, das im März/April geerntet wird. Danach folgt das übrige Getreide. Die Getreideernte endet ca. 2 Monate später mit der Weizenernte. Die ganze Erntezeit liegt also noch vor ihnen. Das ist gerade für eine verarmte Witwe wichtig, die sich nach 5Mo 24,19-21 von den fallengelassenen Garben und Früchten, der Nachlese sowie nach 3Mo 23,22 auch von den Randstreifen ernähren durfte. Nach 5Mo 14,28-29 sollten die Bedürftigen außerdem alle drei Jahre den Zehnten des gesamten Ernteertrages bekommen.

Nach 3Mo 23,9-14 wird zu Beginn der Erntezeit das Fest der Erstlinge gefeiert. Dieses Fest symbolisiert in späterer christlicher Deutung die Auferstehung Christi, der als Erstling der Entschlafenen aus den Toten auferweckt wurde (1Kor 15,20). Noomi und Rut kehren also zu einer äußerst hoffnungsvollen Zeit zurück.

Der Vers 2,1 leuchtet eine weitere Hoffnung auf. Noomi hatte noch einen Verwandten in Bethlehem, einen angesehenen (hayil) Mann. Der hebräische Ausdruck bedeutet wörtlich „ein mächtiger Mann von Wert“ oder „in ihm ist Kraft, Stärke, Vermögen“. Die gleiche Bezeichnung tragen die Richter Gideon und Jeftah, die streitbare oder tapfere Männer bzw. Helden genannt wurden (Ri 6,12; 11,1). Sie waren wertvolle Männer, die etwas erreichen konnten und besonders im Krieg als unverzichtbar galten. (In 3,11 das Adjektiv hayil wird auch für Rut gebraucht.) Auch Boas war ein wertvoller Mann. Sein Wert lag in seinem vorbildlichen Lebensstil, wie der Fortgang der Geschichte zeigt. Außerdem scheint er ziemlich wohlhabend gewesen zu sein. Und er hatte Kraft, er konnte, wie wir später erfahren, Ruts und Noomis Löser werden, weil er die Voraussetzungen dafür erfüllte. (Löser ist die Bezeichnung für einen Menschen, der den Besitz eines nahen Verwandten zurückkauft, das dieser in einer Notsituation verkauft hat. Dazu konnte auch die Verpflichtung zur Schwagerehe treten, d.h. die Verpflichtung, die Frau des kinderlos gestorbenen Besitzers zu heiraten und ihm dadurch einen Nachkommen zu zeugen.) Auch Jesus Christus ist solch ein kraft- oder machtvoller Löser. Nach der „Erstlingsgabe“ (nach seiner Auferstehung) sagt Jesus von sich selbst: „Mir ist alle Macht gegeben, im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18).

Ruts Verhalten ist vorbildlich. Sie erwartet nicht, dass Noomi sie versorgt, sondern erklärt sich gleich bereit, Noomi zu dienen. Das Ährenlesen gehört zu den niedrigsten Arbeiten. Nur die Armen und Bedürftigen müssen das tun. Aber Rut scheut diesen Dienst nicht, sondern arbeitete fleißig (V.7). „Sie ist gekommen und dageblieben“ (V.7)! Wie schnell geben manche auf, sobald die Arbeit in der Gemeinde etwas unbequem wird. Rut dagegen gibt nicht auf, obwohl gerade das Auflesen von Gerste sehr unangenehm ist. Die Körner haben nämlich Grannen (steife Borsten) an den Ähren.


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