Nehemia 8,1-9
Heutige Bibellese:
Nehemia 8,1-9,31 / Offenbarung 19,1-21 / Psalm 146,1-10 / Sprüche 30,24-28
Esra war wie Nehemia mit Erlaubnis des Königs Artahsasta (Artaxerxes I.) nach Jerusalem gekommen, allerdings 13 Jahre früher (2,1; Esr 7,1.7). Nehemias Ziel war der Wiederaufbau der Mauer gewesen, Esra dagegen war gekommen, um das Volk bezüglich des Gesetzes zu belehren (Esr 7,10). Es muss ihn deshalb sehr erfreut haben, als man kurz nach Abschluss des Mauerbaus (am 25. des 6. Monats) zu Beginn des 7. Monats mit der Bitte zu ihm kam, aus dem Gesetz Moses vorzulesen (V.1-2; 7,29). So versammelte sich am 1. des 7. Monats das ganze Volk auf dem Platz vor dem Wassertor. Zwar meint ganz nicht immer jeden Einzelnen, aber es drückt doch aus, dass die Mehrzahl der Bevölkerung des ganzen Landes anwesend war. Dabei ist es kein Zufall, dass die Versammlung am Wassertor stattfand, denn Wasser (ohne weitere Zusätze) ist ein Bild für Gottes Wort (Eph 5,26; vgl. Joh 15,3).
Während Esra aus der Bibel vorlas, standen sechs Männer zu seiner Rechten und sieben zu seiner Linken (V.4). Die 13 Männer erläuterten das Vorgelesene, so dass man es verstehen konnte (V.7-8).
Manche schließen aus V.8, dass das Volk nach dem Exil das Hebräisch nicht mehr verstand und die hebräischen Bibelworte deshalb ins Aramäische übersetzt werden mussten (die Sprache, die zur Zeit Jesu die Umgangssprache war). Doch das ist vermutlich falsch. Die nachexilischen Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi sprachen und schrieben nämlich noch Hebräisch. Vers 8 meint wohl eher, dass das Gelesene ausgelegt und erklärt wurde. Prinzipiell ist die Bibel kein Buch mit „sieben Siegeln“, sondern klar verständlich. Dennoch sind Erklärungen oft sehr hilfreich, um schwierige Stellen zu verstehen, Hintergründe zu erfahren und einen Bezug zum Alltag herzustellen. Genau das sollte eine gute (Auslegungs-)Predigt leisten: versweise den gelesenen Bibeltext erklären (und zusätzlich noch Zusammenhänge zu anderen Bibelstellen aufzeigen).
Die Schriftlesung und Auslegung blieb nicht ohne Wirkung: das Volk wurde traurig und weinte, weil man durch das Gesetz die eigenen Sünden erkannte (V.9). Inzwischen ist man auch in der Lage, durch psychologische Mittel entsprechende Reaktionen hervorzurufen, doch dann sind die Ergebnisse auch entsprechend: psychologische Manipulation statt echter Buße und Bekehrung. Nur Gottes Wort hat die Kraft (in Verbindung mit dem Wirken des Heiligen Geistes, der das Verstehen bewirkt), von Sünde zu überführen und eine dauerhafte Veränderung hervorzurufen (Joh 16,8; Jak 2,9). Das (wahre, nicht nur intellektuelle) Verstehen des Wortes Gottes bewirkt Niedergeschlagenheit und Angst (emotionale Reaktion), was dann zur Buße und einer bewussten Glaubensentscheidung sowie neuer Freude führt. Deshalb brauchen wir Evangelisten und Prediger, die nicht auf psychologische Mittel vertrauen, sondern auf Gottes Wort. Wo Gottes Wort gepredigt und klar und verständlich ausgelegt wird, geschehen Veränderungen:
[...] so wird mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht. Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird bewirken, was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe. (Jes 55,11)