Hesekiel 29
Heutige Bibellese:
Hesekiel 29,1-30,26 / 2.Petrus 3,1-18 / Psalm 113,1-9 / Sprüche 27,15-16
Die Gerichtsandrohung über Tyrus endet mit der Beschreibung des Falls Satans, der hinter dem König von Tyrus stand. Doch der Satan, der Fürst dieser Welt (Joh 12,31), übt die Weltherrschaft nicht alleine aus, sondern zusammen mit den Dämonen (gefallenen Engeln), die unter seiner Herrschaft stehen. Das ist erforderlich, weil Satan und die Engel als geschaffene Wesen nicht allgegenwärtig sind (vgl. die Engel bzw. Fürsten in Dan 10,12-14.20). Auch aus Eph 6,12 geht hervor, dass nicht nur Satan der Feind der Christen ist, sondern alle geistlichen Mächte der Bosheit, wobei explizit die Weltbeherrscher (Mehrzahl) der Finsternis genannt werden:
Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Gewalten, gegen die Mächte, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistigen Mächte der Bosheit in der Himmelswelt. (Eph 6,12)
Der Strom (V.3) ist der Nil, dem Ägypten seine Fruchtbarkeit und damit sein Leben verdankt. Mit der Aussage, dass der Strom ihm gehöre und er ihn sogar selbst gemacht habe (V.3.9), macht der König von Ägypten sich zum Lebensspender und macht sich damit Gott gleich! Die gleiche Selbstüberhebung und Selbstvergötterung kennzeichnete den König von Tyrus (28,2) und wird auch den in der Endzeit auftretenden Menschen der Gesetzlosigkeit kennzeichnen (2.Thess 2,4). Als Folge dieses Hochmuts sollte auch Ägypten erniedrigt und verwüstet werden (vgl. 28,17; Jak 4,6) - von Migdol bis Syene (V.10). Migdol war eine Grenzbefestigung an der Nordostgrenze des Nildeltas, Syene lag im Süden, in der Nähe der Grenze zu Kusch (vgl. V.10). Kusch entspricht dem heutigen Südägypten, dem Sudan und Nordäthiopien. Von Migdol bis Syene ist damit ein Ausdruck für das ganze Land (ähnlich wie „von Dan bis Beerscheba“ ganz Israel bezeichnet).
Vierzig Jahre sollte Ägypten unbewohnt bleiben. Im Jahr 569 v.Chr. wurde Ägypten von den Babyloniern erobert. Deren Politik bestand darin, die Bevölkerung eroberter Gebiete zu deportieren, so dass davon ausgegangen werden kann, dass dies (wie bei Israel) auch im Falle Ägyptens geschah. Im Jahr 525 v.Chr. eroberten die Perser Ägypten. Die Perser verfolgten eine andere politische Strategie und erlaubten allen Völkern die Rückkehr in ihre Heimat. Einen entsprechenden Erlass des Perserkönigs Kyrus hat man auf dem Kyrus-Zylinder gefunden. Die in V.12 erwähnten Jahre passen gut in den Zeitabschnitt zwischen dem Beginn der Eroberung durch die Babylonier und der Eroberung durch die Perser.
Auch in der Folgezeit blieb Ägypten von anderen Völkern abhängig. Auf die Perser folgten die Griechen, darauf die Römer. Im Jahr 641 n.Chr. eroberten die Araber Ägypten und führten den Islam dort ein. Das Christentum, das sich bereits in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten dort ausbreitete, ist dort bis heute stark vertreten. Nach offiziellen, von der Regierung bewusst niedrig gehaltenen Angaben gibt es 10.000 koptische Christen; die wirkliche Zahl dürfte deutlich höher liegen. Dadurch wurde V.14 erfüllt: Ägypten blieb ein „niedriges“ Land. Erst kurz vor Israel erlangte es die Unabhängigkeit. Seither versuchte es, eine Vorrangstellung in der islamischen Welt zu erlangen, doch alle zu diesem Zweck mit Israel begonnenen Kriege endeten in einer Niederlage. Seither herrscht Schrecken vor Israel (Jes 19,17), so dass man sich zum Friedensschluss mit Israel gezwungen sah – nicht aus innerer Überzeugung, sondern weil man meint, dass der Sieg über Israel erst von einer späteren Generation zu erringen sei.